Sonntag, 22. Mai 2016

Fallensteller von Saša Stanišić.


Originalausgabe – Erschienen bei Luchterhand – 2016 – Vielen herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar! 

Zaubern im Gemeindesaal, Kommoden zerstören in leiser Wut, in merkwürdigen Wettkämpfen glorios gewinnen, irrlichtern durch die Welt: Erzählungen von Saša Stanišić.

Vollkommen unverhofft sprang mein Herz vor einiger Zeit nach oben, als ich entdeckte, dass ein neues Buch von Saša Stanišić veröffentlicht wird. Erzählungen! "Vor dem Fest" gehört immer noch zu den großen fünf Lieblingsbüchern meinerseits (die anderen vier kann ich spontan nicht aufzählen). Daher sprang mein Herz nochmal ein bisschen höher, als ich "Fallensteller" im Briefkasten vorfand. 

Hinweis: Wer einmal mein Exemplar von "Fallensteller" in die Hände bekommen wird, wird sich wundern. Es enthält nämlich sehr viele Eselsohren. Zeitweise zwei auf einer Seite. Oben und unten. Im Mittelstück fehlen die Eselsohren aber. Weil ich dort beschlossen habe, dass es wohl einfacher wäre, wenn ich nur noch die Seiten markiere, die ich nicht gut fand. Aber irgendwann habe ich das nicht mehr durchgehalten. 

"Disclaimer: Ich weiß nicht, ob das tatsächlich Kunsthistoriker waren, aber sie zeichneten, wenn sie über das Gemälde sprachen, kleine geometrische Formen in die Luft, Dreiecke, Kreise, so was, und genau das stelle ich mir vor, wenn ich darüber nachdenke, was Kunsthistoriker eigentlich machen." (S. 68)

Soll heißen: Meine Liebe zu Saša Stanišić ist ungebrochen groß. Denn Stanišić ist ein Zauberer. Ein Sprachdompteur, in dessen Sätze man einziehen möchte. Jedes Wort sitzt, kein Wort ist überflüssig. Die Bilder, die er erschafft und die Geschichten, die er erzählt sind so normal und doch außergewöhnlich.

Schon allein die erste Geschichte! Ein Zauberkünstler tritt vor einem gelangweilten Publikum auf, die Gedanken des Mannes auf der Bühne schweifen immer wieder ab. Zu seiner Familie. Zu einer Zaubershow, die er gemeinsam mit seinem Großneffen besucht hat. Das größte Kunststück: Verschwinden. Unsichtbar für seine Mitmenschen sein. Das funktioniert auch ganz ohne Zauberei. 

Lieblingstitel: "Die immens schönen tragischen blöden glückseligen deutschen Flüsse". Und die Geschichte dahinter. Die sich in weiteren Erzählungen fortsetzt.

Und natürlich. Meine Herzsprung-Geschichte (mein Herz leidet gar sehr, wenn es um Saša Stanišić geht. Kleine Offenbarung am Rande: Ich kopiere den Namen immer aus der Überschrift, weil ich mir die Tastenkürzel für die ganzen Sonderzeichen nicht merken kann): Fallensteller.
Denn in "Fallensteller" besuchen wir Fürstenfelde nach dem Fest. 

"Fürstenfelde. Einwohnerzahl: gerade." (S. 172)

Diese Geschichte fühlt sich an wie nach Hause kommen. Man kennt sich schließlich schon. Eines Tages werde ich auch in die Uckermark fahren und zum Literatur-Touristen, jawohl. Doch das wird noch eine Weile dauern. Deswegen freue ich mich erst einmal auf den 17. Juni, denn dann kommt Saša Stanišićins Literaturhaus München und ich werde darauf bestehen, dass das Wort "Brezel" aus meiner Ausgabe gestrichen wird.

Keine Kommentare: