Seit Anfang des Jahres lese ich vermehrt Bücherblogs. Was irgendwie verwunderlich ist, weil ich schon sehr lange Blogs lese und schon sehr lange selber blogge. Aber durch das #bookup bei Piper, durch den ständigen Kontakt mit Bücherblogs in der Arbeit und durch die Aufnahme von Instagram in meine tägliche Online-Routine, hab ich mehrere neue Blogs kennengelernt, denen ich nun folge. Das ist schön und erfreut mich, denn die meisten Fashion-Mode-Lifestyle-Blogs, denen ich sonst so folge, langweilen mich in letzter Zeit so sehr, dass ich die Beiträge bei Feedly meist nur überfliege, um Bildchen anzugucken und dann sind die "gelesen". Eigentlich wäre es sinnvoller, meine Feedsammlung einmal auszumisten, doch dafür bin zu faul.
Jedenfalls. Zurück zu den Bücherblogs. Es gibt etwas, was mich bei Bücherblogs irritiert. Auch, wenn das längst nicht alle machen, ist es mir doch in den letzten Wochen verstärkt aufgefallen (und bei Twitter hab ich das schon mal angesprochen - mit unterschiedlichen Reaktionen). Ich nenne es mal - den Lesewettbewerb. Und damit meine ich nicht die niedlichen Vorlesewettbewerbe in der Schule, bei denen man am Schluss einen Büchergutschein gewinnen kann. Ich rede von der eigenartigen Entwicklung, dass man Bücher besonders schnell lesen muss, damit man besonders viele Bücher im Jahr gelesen hat.
Am Anfang des Jahres wurden verschiedene Challenges gestartet, bei denen man zum Beispiel verschiedene Bücher zu verschiedenen Themen lesen muss.
Es werden Apps vorgestellt, mit denen man sein Lesepensum organisieren kann, die eine Stoppuhr haben, damit man weiß, wie lange man gelesen hat und die einem sagen, wie lange man noch für ein Buch braucht, wenn man in diesem Tempo weiter liest.
In den Seitenleisten von Blogs finden sich immer häufiger Widgets, damit man als Leser genau weiß, auf welcher Seite der Blogger gerade bei welchem Buch ist.
Blogger berichten am Anfang des Monats, wie viele Bücher sie in diesem Monat lesen werden.
Und so weiter und so fort.
Und ich denk mir nur - warum?
Welchen Mehrwert hat es für mich, wenn ich weiß, auf welcher Seite ein Leser gerade steckt? Welchen Mehrwert hat es für mich, wenn mir eine App sagt, dass ich bei diesem Tempo aber sicherlich noch drei Wochen für das Buch brauchen werde? Setzt das nicht unter Druck? Unter Druck kann ich nicht lesen. Das war der Grund, warum ich bei Schullektüren immer versagt habe. Jeden Tag Lesetagebuch für die Schule führen - ging nicht. Wenn ich mir überlege, dass ich nun eine App für das Verwalten meiner Leseerfolge benutze, dann würde das derzeit sehr traurig aussehen, weil ich mich gerade nicht zum Lesen motivieren kann. Obwohl ich "Kaltblütig" von Truman Capote sehr mag. Geht gerade nicht. Es muss aber auch niemand sehen, dass ich seit drei Tagen auf Seite 238 herumgurke. Und kostet es nicht Zeit, diese ganzen Statistiken zu führen? Könnte man nicht in der Zeit, in der man seinen Lesestatus aktualisiert, noch eine Seite mehr lesen?
Auf der anderen Seite - ja, ich führe eine Bücherliste. Seit 10 Jahren (oh Gott, jetzt fühle ich mich wieder alt) schreibe ich auf, welche Bücher ich gelesen habe. Erst auf Papier, jetzt in einer fancy Exceltabelle, die mit einer Bücherinventarliste ausgestattet ist, damit ich weiß, welche Bücher ich habe und welche davon noch nicht gelesen wurden. Das mache ich hauptsächlich, um mich daran zu erinnern, welche Bücher ich gelesen habe. Und welche Bücher ich habe. Manchmal habe ich nämlich Aussetzer und denke, ich habe ein Buch noch nicht und will das kaufen (und manchmal möchte ich Bücher kaufen, weil die mir so bekannt vorkommen - aus meinem eigenen Bücherregal). Aber das ist meine Liste, die nur am Ende des Jahres in den Blog übertragen wird. Niemand weiß, wie lange ich für ein Buch brauche - außer, ich jammere aktiv darüber, wie lange ich für ein Buch gebraucht habe. Und nach einer Woche habe ich vergessen, wie lange ich das Buch gelesen habe, weil mir das nicht wichtig ist.
Ich lese nicht, um mich mit anderen zu messen, ich lese, weil ich gerne lese. Und wenn ich in einer Phase bin, in der ich nicht lese, dann lese ich eben nicht. Glücklicherweise bin ich da keiner App und auch keinem Lesestatus-Widget Rechenschaft schuldig.
Oder ignoriere ich gerade den neuesten heißen Trend und bin damit eine alte Bücher-Rollator-Oma?
9 Kommentare:
Hallo Marina,
generell bin ich absolut deiner Meinung - immer öfter hat man den Eindruck, dass das Lesen für viele zum Wettbewerb ausartet. Wenn dann auch noch irgendwann Leseflauten angesprochen werden, weil man ja so viele Leseexemplare lesen muss oder unbedingt die 10 Bücher im Monat schaffen muss, ist das Chaos perfekt. Wieso man sich selbst so einen Druck macht, wenn man doch eigentlich hobby-mäßig liest (zumindest vorrangig), verstehe ich auch nicht.
Ich führe allerdings auch Bücherlisten über neue und gelesene Bücher - diese dienen aber genauso wie bei dir eher zur persönlichen Übersicht. Auf dem Blog werden alle gelesenen Bücher aber auch aufgelistet und zwar einfach deswegen, damit man als Blogleser schauen kann, welches Buch ich gelesen und wie ich es bewertet habe - auch weil ich nicht jedes Buch rezensiere und so die Meinungen nicht einsehbar sind.
Das Updaten des Lesestatus sehe ich vor allem als Möglichkeit zum Austausch mit anderen Lesern, auch nicht als Wettbewerb.
Diesen "Trend" gibt es aber nicht erst seit gestern, das ist meiner Meinung nach schon seit Jahren so. Auch Challenges gab es früher - an solchen nehme ich übrigens auch gar nicht mehr teil, weil sie mir teilweise durch ihren Wettbewerbscharakter wirklich zu viel Druck gemacht haben und mir die Lust am Lesen vermiest haben. Da ich nur das Lese, worauf ich gerade Lust habe, kann ich so etwas auch gar nicht gebrauchen.
Aber es muss ja jeder selbst für sich ausmachen, ob er einen Ansporn für's Lesen braucht oder nicht. Ich finde auch, dass man es einem Bücherblog durchaus ansehen kann, wie gern und mit welcher Leidenschaft man liest. Oder ob man sich nur mit anderen zu übertrumpfen versucht. :-)
Liebe Grüße,
Jess
Okay, dieser Trend ging an mir wie so viele andere vorüber...find ich jedenfalls seltsam. Beim Lesen angetrieben werden is ja nun irgendwie...doof.
Wobei ich ja auch seit letztem Jahr im Blog festhalte, was ich alles gelesen habe und schon versuche, dass es dieses Jahr ein paar mehr Bücher werden. Das liegt aber daran, dass ich eigentlich gerne lese und leider oft statt zu lesen im Internet rumdaddel oder so, und da wäre die Zeit mit nem Buch irgendwie besser vertan. Aber Hochleistungsgeschwindigkeitslesen mit Trainer, App und Schiedsrichter wirds bei mir nicht geben ;)
Was ich noch zu Challenges sagen wollte - ich hab mich ja im Januar dazu entschlossen, an einer Kommentar-Challenge teilzunehmen und muss nach nur einem Monat schon sagen, dass ich das doch gar nicht mal so toll finde, wie gedacht. Ja, ich kommentiere mehr und das ist auch was nettes, aber wenn ich mir die Kommentarzahlen der anderen Teilnehmer angucke, frag ich mich, wie man so viele Kommentare schreiben kann und ob da nicht auch einfach viel Mist dabei ist, nur um auf höhere Zahlen zu kommen.
Das nur dazu, falls mir jemand das ankreisen möchte - da hat derjenige dann Recht ;)
Liebe Marina!
Sehr feiner Beitrag und ich bin da in großen Teilen absolut bei Dir! :) ich kann mit diesem "Wettbewerb" beim lesen auch überhaupt nichts anfangen, zumal ich mich ja ohnehin darüber nicht mit anderen messen oder vergleichen kann. Ein Jugendbuch habe ich zum Beispiel generell schneller durchgelesen als einen Roman. Jedem das Seine, aber für mich ist das nichts. Ich benutze ja goodreads, allerdings auch mehr vor dem Hintergrund, um meine Bücher zu archivieren. Den Lesestatus dort sehr ich für mich ähnlich wie Jess als Möglichkeit, mich mit Lesern auszutauschen, da ich so das Spoilern ausschließen kann ;)
Danke Dir für den Beitrag und liebe Grüße,
Chris
Hallo Marina,
ich führe seit knapp zwei Jahren persönliche Lesestatistiken. Da ich seit etwas mehr als einem Jahr auch über Bücher blogge, mache ich die Statistiken auch öffentlich. Das mache ich aber nicht, um zu "prahlen", wie viele Bücher ich denn geschafft habe und ich versuche auch nicht auf Teufel komm raus so und so viele Bücher in einen Monat zu quetschen. Ich persönlich finde es immer interessant, was andere Menschen so in der letzten Zeit gelesen haben, da ich nicht immer die Zeit habe, alle Rezensionen zu lesen. Aber ich kann dich schon verstehen, denn es gibt doch so einige, bei denen man denken kann, dass sie das Ganze doch als Wettbewerb verstehen. Mal sehen, wohin das Ganze führt.
Liebe Grüße,
Fraencis
Ich glaube, Seitenzahlen würden mir bei Diskussionen mit anderen Lesern gar nicht helfen, weil ich mir selten merke, auf welcher Seite was passiert und es deswegen gut sein kann, dass ich Leute verspoilere. Auf der anderen Seite bin ich bei Spoilern komplett schmerzbefreit - manchmal suche und lese ich auch extra Spoiler (Ich wusste ab der ersten Folge Gossip Girl wer Gossip Girl ist :P).
Haha, wie krass :P nee, da bin ich echt total eigen! Wenn mich jemand Spoilern würde, würde ich glaub ich ausflippen :D ich bin zwar einerseits Titel neugierig, aber bei Büchern oder Filmen will ich das selber herausfinden ;)) allerdings gestehe ich, dass ich mich manchmal nicht zurückhalten kann, bei anderen Andeutungen zu machen so in die Richtung "warte mal was gleich noch passiert!" :P
Hallo Marina,
da geb ich dir absolut recht. Ganz hab ich das auch nicht verstanden. Die Challenges sind eigenartig. Das schöne am Lesen ist ja, dass man es für sich tut, es nur einen selbst betrifft. Einen Wettbewerb daraus zu machen zeugt für mich eher davon, dass sich hier ein paar Leute zu viel Zeit haben. Ich werde immer das lesen, worauf ich Lust habe. Ohne einer anderen Struktur, als meinem eigenen Verstand, der heut dies und morgen auf das lesen will. Der limitierende Faktor ist ja die Zeit, die einem zum Lesen zur Verfügung steht. Daher blende ich diese Wettbewerbe aus und beachte sie auch nicht weiter.
Was die ganzen Widgets und die Maximierung der gelesenen Seiten betrifft, da sehe ich ein ganz anderes Problem. Ich schreibe bewusst nicht über alle Bücher, die ich lese, denn das ist für mich auch eine Frage des Datenschutzes. Man gibt ohnehin einiges Preis, wenn man über Bücher bloggt. Aber was ich wann wie schnell lese und eine komplette Übersicht über das, was ich lese, das geht niemand was an.
Ähnlich kritisch sehe ich die Analyse des Leseverhaltens auf Ebook Reader. Amazon hat mit seinem Kindle exakte Informationen darüber, wie ich mein Buch lese, wie lange ich für eine Seite brauch, was ich lese. Damit weiß dieser Konzern vielleicht mehr über mich als ich selbst, denn er kann diese Daten mit den vielen anderen Kindlenutzer bringen und beispielsweise eine Vorhersage treffen, was ich als nächstes Lese, welches Geschlecht, sozialen Status usw. ich habe. Big Data ist hier das Stichwort. Das ist nicht der Hauptgrund, aber doch ein entscheidender dafür, dass ich die klassischen Bücher auf Papier so liebe.
Was das möglichst viel Lesen betrifft, ist das für mich eine Frage des Buches. Leichte Kost, wie Schmonzetten, wo es primär ums entspanne und den Genuss einer netten Story geht, da lese ich recht schnell (z.B. Das Lächeln der Frauen). Bücher, die richtig schöne Sätze haben, die sich durch Tiefgang auszeichnen und zuweilen ein wahrer Genuss sind (z.B. Madame Bovary), die lese ich sehr langsam. Da möchte ich das Buch auskosten, es genießen und es soll nie aufhören. Das Konzept hier möglichst viel in kurzer Zeit zu lesen macht hier einfach keinen Sinn.
Eine interessante Diskussion, da wirst du bestimmt einiges an Antworten bekommen. Den Beitrag hier werde ich noch länger verfolgen.
Liebe Grüße
Tobi
Ich bin vollkommen deiner Meinung. Das fällt mir vor allem auch auf den sogenannten Booktube Kanälen auf. Die Leute lesen nur noch um eine bestimmtes Pensum zu erreichen und nicht mehr aus Leidenschaft zum lesen.
Ich bin gerade rein zufällig auf deinen Blog gestoßen und Begeistert. Ich habe mir nähmlich bevor ich meinen eigenen veröffentlicht habe geschworen nicht bei diesem Trend mit zu machen. Mich freut es, dass auch noch andere Blogger meiner Meinung sind.
Viele Liebe Grüße.
Svenja
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