Originalausgabe - Erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt - Februar 2015 - Allerliebsten Dank für das Leseexemplar!
Marie ist achtzehn, Borderline-gestört und fest entschlossen, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Auch Emanuel glaubt nicht an die Zukunft, wenngleich aus anderen Gründen. Als sie sich begegnen, wird ihnen klar - sie müssen es nicht allein tun. Und sie treffen eine Verabredung, die für beide anders ausgeht als erwartet.
Mein drittes Buch aus der Frankfurter Verlagsanstalt und ich werde immer begeisterter ob deren Verlagsprogramm. So viele Perlen, so viele Schätze gilt es zu entdecken. Doch im Gegensatz zu "Bora" und ähnlich wie bei "Alles ist jetzt" ist dies keine leichte, einfache Lektüre (und das ist jetzt nicht böse gemeint, liebe Bora. Du bist ein herrliches Sommerbuch, ich mag dich sehr). Ich musste "Das grenzenlose Und" dann auch vom S-Bahn-Buch zum Couch-Buch umwandeln, weil ich das in der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit/nach Hause nicht lesen konnte. Auf der Couch in einem Ruck ging es dann.
Marie lebt in einer WG mit sozialpädagogischer Betreuung, nachdem sie mehrfach versucht hat, sich selbst umzubringen. Ihr Psychotherapeut hat ihr daher das Versprechen abgenommen, dass sie ein Jahr lang keine Selbstmordversuche machen wird und dafür nicht in die Psychiatrie muss. Daran hält sich Marie auch brav - mit dem Ziel vor Augen, sich genau nach einem Jahr umzubringen. In der Praxis ihres Psychotherapeuten trifft sie Emanuel, der vom Psychotherapeuten als Hurensohn beschimpft wird (was lustig ist, denn Emanuels Oma ist Bordellbesitzerin) und eine Hausaufgabe zu erledigen hat. Dabei hilft ihm Marie, die ansonsten Probleme mit gleichaltrigen Menschen hat. Im Laufe der Zeit intensiviert sich die Beziehung zwischen Marie und Emanuel, Marie erfährt, dass Emanuel einen Hirntumor hat und sich selbst umbringen will, um seiner Oma und seiner Schwester nicht zur Last zu fallen. So reift der Plan eines Doppelsuzids heran.
Die eine will sterben und kann es nicht, der andere will leben und kann es nicht - das sind quasi die zwei Motive, die bei "Das grenzenlose Und" aufeinandertreffen. Suizid, weil man das Leben nicht erträgt, Suizid, weil man den Tod nicht erträgt. Dabei wertet und verurteilt "Das grenzenlose Und" nicht die Gründe für die Entscheidung von Marie und Emanuel, sondern erörtert diese sachlich und klar.
Meine anfänglichen Probleme mit dem Buch liegen wohl direkt bei mir selbst, ich kann Beschreibungen von Selbstverletzungen nur schwer ertragen, mir tun da sofort die Handgelenke weh (und nein, keine Sorge, ich hab das selbst nie gemacht) und deswegen mag ich auch keine Dialoge, in denen von Klammern im Arm die Rede ist, die der Arzt dort reingemacht hat, damit man sich nicht nochmal ritzt, aber man kann die Klammer ja auch einfach rausreißen ...
Im weiteren Verlauf der Geschichte überwiegt aber Emanuels Entschluss, sich selbst zu töten, um dem Hirntumor zuvor zu kommen und Maries Umgang mit dieser Situation. Die schönste Szene, die auch den Papierflieger auf dem Cover (und auf dem Vorsatzpapier! Aber: lieber Verlag, man kann die Faltanleitung gar nicht falten ohne das Buch kaputt zu machen!) erklärt, hat relativ wenig mit dem Selbstmordpakt zu tun, sondern schildert die Entstehung eines Graffitos (yay, korrekte Singularform genutzt!). Da gefällt mir sehr der Aufbau und die Veränderung des Werkes während des Schaffensprozesses durch die Veränderung von Maries Gefühlsleben.
"Das grenzenlose Und" ist sicherlich kein einfaches Buch (kann man überhaupt ein einfaches Buch über Selbstmord schreiben?), aber es ist ein lesenswertes Buch, weil es exemplarisch zwei Motiven für Selbstmordgedanken/-versuchen erläutert, ohne sie zu bewerten und/oder zu kritisieren. Dabei schafft es Sandra Weihs die Waage zu halten, sodass sich "Das grenzenlose Und" nicht in ein Pro-Selbstmord-Buch verwandelt.
Ein ernstes Thema, ohne moralischen Zeigefinger, dafür mit Humor - ich denke, nach diesem Debüt werde ich Sandra Weihs mal im Kopf behalten.
2 Kommentare:
Das klingt sehr spannend, manchmal bestimmt auch aufwühlend. Werde mir den Titel mal merken, vielen Dank für deine Leseeindrücke!
Aufwühlend ist ein sehr passendes Wort für "Das grenzenlose Und". Freut mich, dass meine Rezension dich neugierig auf das Buch gemacht hat :)
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