Originalausgabe - Erschienen im Aufbau Verlag - 2017 - Vielen herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar!
Ukraine, 90er Jahre. Große Party der Freiheit. Manche tanzen und fressen oben auf dem Trümmerhaufen der Sowjetunion, andere versuchen noch, ihn zu erklimmen. Auch Samira. Mit sieben Jahren macht sie sich auf die Suche nach Freiheit und Wohlstand. Während teure Autos die Straßen schmücken, lebt Samira mit ein paar anderen Kids in einem Haus, wo es keinen Strom, kein warmes Wasser und kein Klo gibt. Aber es geht ihr bestens. Sie hat ein eigenes Sofa zum Schlafen und eine fast erwachsene Freundin, die ihr alles beibringt. Außerdem hat sie einen Job, und den macht sie gut: betteln. Niemand kann diesem schönen Kind widerstehen, auch Rocky nicht. Er nennt sie Kukolka, Püppchen. Wenn Kukolka ihn lange genug massiert, gibt er ihr sogar Schokolade. Alles scheint perfekt zu sein. Doch Samira hält an ihrem Traum von Deutschland fest. Und ihr Traum wird in Erfüllung gehen, komme, was wolle.
Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich die Rezension zu einem Buch nicht direkt nach dem Lesen geschrieben habe. Schon vor 3 Monate habe ich "Kukolka" von Lana Lux gelesen und hätte danach wohl nur Ausrufezeichen und aufgeregte gifs hier einbauen können. Obwohl. Moment. Warum eigentlich nicht?
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Auch jetzt nach 3 Monaten ist es schwierig in Worte zu fassen, was "Kukolka" so anziehend macht. Denn die Ausgangslage ist alles anderes als sympathisch. Samira ist Waise und lebt in einem Kinderheim in der Ukraine. Ihre beste Freundin wird von einem deutschen Ehepaar adoptiert und ab diesem Zeitpunkt gibt es für Samira nur noch einen Traum: Deutschland. Eines Tages wird sie dort leben. Komme, was wolle. Und es kommt so einiges. Samira läuft weg und lebt von nun an auf der Straße, schließt sich einer Kinder-Bettel-Gruppe an, lernt dort das kleine 1x1 des Stehlens und Bettelns und darf schmierigen Anführer Rocky zu schmierigen Partys begleiten. Denn Samira ist eine Schönheit – Für Rocky eine Kapitalanlage. Und so wird Samira zu Kukolka, einem Püppchen, das man schön anzieht und seinen reichen Freunden zeigt und ihnen zum spielen überlässt.
Die Kaltblütigkeit (und ich meine das im besten Sinne des Wortes), mit der Lana Lux das Leben eines Straßenmädchens beschreibt, macht diese Geschichte so einzigartig. Es gibt nichts Gutes, nichts Schönes im Leben von Samira, das weiß sie selbst. Und so macht sie sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Eine Barbiepuppe wird zum Heiligtum. Die Hausarbeit zur tröstenden Konstante. Und wenn man eine Nacht nicht zusammen mit Rocky auf der Matratze schlafen muss, ist das ein Freudenfest.
Lana Lux gelingt es, dieses Leid nicht zu verkitschen, nicht eine anrührende Geschichte zu erzählen, die den Leser betroffen macht und nach dem Ende des Buches wischt man sich die Träne aus dem Gesicht und geht in die Küche um Kartoffelpüree zu kochen. Nein. "Kukolka" bleibt wie Samira steif, neutral und nimmt die Dinge, wie sie sind. Ohne die rosarote Brille. Was den Kontrast zum sehr überzogenen Cover noch viel großartiger macht. Überhaupt. Dieses Cover. Diese Buchgestaltung! Kann ich bitte ein Poster mit dem gruseligen Blick des puppenhaften Mädchens haben?
"Kukolka" ist keine einfach Lektüre, fordert den Leser heraus und ist gerade deswegen ein vorzügliches Vergnügen. Bitte mehr davon Frau Lux!
"Liebe ist Vertrauen. Das habe ich mal auf einer Werbung für Kondome gelesen." (Seite 308f.)
Die Kaltblütigkeit (und ich meine das im besten Sinne des Wortes), mit der Lana Lux das Leben eines Straßenmädchens beschreibt, macht diese Geschichte so einzigartig. Es gibt nichts Gutes, nichts Schönes im Leben von Samira, das weiß sie selbst. Und so macht sie sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Eine Barbiepuppe wird zum Heiligtum. Die Hausarbeit zur tröstenden Konstante. Und wenn man eine Nacht nicht zusammen mit Rocky auf der Matratze schlafen muss, ist das ein Freudenfest.
Lana Lux gelingt es, dieses Leid nicht zu verkitschen, nicht eine anrührende Geschichte zu erzählen, die den Leser betroffen macht und nach dem Ende des Buches wischt man sich die Träne aus dem Gesicht und geht in die Küche um Kartoffelpüree zu kochen. Nein. "Kukolka" bleibt wie Samira steif, neutral und nimmt die Dinge, wie sie sind. Ohne die rosarote Brille. Was den Kontrast zum sehr überzogenen Cover noch viel großartiger macht. Überhaupt. Dieses Cover. Diese Buchgestaltung! Kann ich bitte ein Poster mit dem gruseligen Blick des puppenhaften Mädchens haben?
"Kukolka" ist keine einfach Lektüre, fordert den Leser heraus und ist gerade deswegen ein vorzügliches Vergnügen. Bitte mehr davon Frau Lux!
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