Ich lese gerne. Ich lese viel. Ich lese die unterschiedlichsten Bücher. Unterhaltungsromane, Bücher aus dem Feuilleton, dicke Bücher, dünne Bücher, Neuerscheinungen, Klassiker. Ich lese auch relativ schnell, 100 Seiten schaffe ich meist in einer Stunde. Vorausgesetzt, die Lektüre hat mich gepackt. Wenn das nicht der Fall ist, verwandelt sich die ansonsten recht glückliche Buchbeziehung zu einem klebrigen Kaugummi. Das beginnt meist mit dem Überfliegen von Absätzen oder Überblättern von ganzen Seiten. Irgendwann wird das Buch zur Seite gelegt und ich lese einfach eine Woche gar nicht. Vielleicht packt mich die Lust ja wieder. Doch dann lacht mich ein anderes Buch an und das alte Buch wird beiseite gelegt. Erst auf den Stapel der angefangenen Bücher. In ganz schlimmen Fällen (Hallo "Der Zauberberg"!) wandert das Buch zurück in das Regal der ungelesenen Bücher.
Denn bei all den vielen Jahren als Leser habe ich eine Sache nie richtig gelernt: Ich kann keine Bücher abbrechen. Ein Buch zuklappen und bewusst sagen "Nein, das lese ich auf keinen Fall weiter!", das passiert in den seltensten Fällen (die letzte Ausnahme war "One of us is lying").
Aber warum ist das so?
1. In mir nagt immer die Hoffnung, dass das Buch ja noch besser werden könnte. Vielleicht habe ich es nur einfach noch nicht erkennen können. Vielleicht wartet bereits auf der nächsten Seite die ultimative Wendung, die alles in einem neuen Licht erstrahlen lässt. Dazu gehört auch ...
2. Ich bin unfassbar neugierig. Das ist der Grund, warum ich mir schwer tue Krimis und Thriller zu lesen, denn ich will sofort wissen, wer der Mörder ist. Deswegen habe ich auch überhaupt kein Problem damit, verspoilert zu werden (mein Lieblingsbeispiel hierfür: Ich habe nach der ersten Folge "Gossip Girl" bei Wikipedia nachgeguckt, wer hinter Gossip Girl steckt). Wenn ich ein Buch abbreche, verpasse ich aber das Ende. Da helfen auch Wikipedia-Artikel oder Rezensionen nicht, denn vielleicht wird dort ein entscheidender Punkt weggelassen.
3. Ich bin nicht nur neugierig, ich bin auch stur. Wenn ich mit einem Buch angefangen habe, dann will ich es auch zu Ende bringen. Schließlich gab es Gründe, warum ich mich für eben jenes Buch entschieden habe. Und die können ja nicht alle falsch gewesen sein. Ich habe also Zeit und Geld (da schlägt der Schwabe in mir durch) investiert, also wird das Buch jetzt auch beendet. Komme, was wolle.
4. Gruppenzwang. Dafür ist "One of us is lying" ein ganz gutes Beispiel. So viele Blogger fanden das Buch gut. Was ist dann bei mir kaputt, wenn ich nach 139 Seiten das Handtuch werfe, weil ich ansonsten meinen Kopf gegen die Wand werfen muss? Vielleicht wird es ja doch noch besser (siehe Punkt 1)? Oder ...
5. Vielleicht ist das ja gerade nur eine Phase? Bücher passen nicht immer. Manchmal will man den Kopf beim Lesen ausschalten, da kann Thomas Mann noch so schöne Sätze schreiben. Oder einem ist zum Weinen zumute, während die aktuelle Lektüre himmelhochjauchzend vom Glück in der Liebe erzählt. Vielleicht passt das Buch in zwei, drei Wochen besser, da muss man es ja nicht direkt für immer abbrechen ...
Und so wird der Stapel der angefangenen, aber selbstverständlich nicht abgebrochenen Bücher immer höher. Derzeit befinden sich darauf:
- Malina von Ingeborg Bachmann
- Am grünen Rand der Welt von Thomas Hardy
- Anna Karenina von Lew Tolstoi
- Dame, König, As, Spion von John le Carré
(Lustigerweise schrieb ich vor einem Jahr einen Beitrag über aufgeschobene Bücher ... drei der gerade eben genannten Bücher werden dort auch schon erwähnt)
Doch was tun? Ab wann ist endgültig der Punkt erreicht, dass man ein Buch abbrechen sollte? Wann trennt man sich höflich, aber bestimmt von einem Buch, mit dem man schon einige Lesestunden verbracht hat?
Ich brauche Tipps, Tricks und eine Selbsthilfegruppe. Wie handhabt ihr das? Wann brecht ihr rigoros ein Buch ab? Und welches Buch ereilte bei euch zuletzt dieses Schicksal ?
4 Kommentare:
Hallöchen liebe Marina,
ich kann dich sehr gut verstehen, auch ich tue mich schwer mit dem Abbrechen von Büchern und versuche es auch immer wieder zu verhindern. Das letzte Buch, das ich abbrach, brach ich ab als ich merkte, dass die Handlung auf der Stelle trat und mich nicht voranbrachte.
Ich glaube, wenn kann ein Buch abbrechen, wenn man merkt, dass es absolut nicht gefällt und nicht vorwärts geht in der Handlung. Sollte das Buch aktuell nicht zur Lesestimmung passen oder man merkt, dass gerade nicht die richtige Zeit für das Buch ist, dann kann es ruhig auf den Stapel der angefangen Bücher.
Aber ich kann dein schlechtes Gewissen verstehen, weil man eben nie weiß, was auf der nächsten Seiten auf einen wartet.
Liebe Grüße
Jule
Danke dir Jule! Manchmal ist es schwierig zu erkennen, ob man sich gerade nicht in der richtigen Phase für ein Buch befindet oder ob das Buch auch zu jedem anderen Zeitpunkt nichts für einen ist. Da ist der Stapel der angefangenen Bücher ganz gut als Zwischenlösung. Ich muss mich nur selber etwas mehr ermahnen, die dort liegenden Bücher auch mal wieder weiterzulesen ...
Hey :)
Mir geht es da genauso wie dir. Natürlich könnte ich Bücher abbrechen, aber ich will es schlichtweg nicht. Ich hoffe auch immer, dass das Buch vielleicht noch besser werden könnte, gleichzeitig bin ich einfach viel zu neugierig und stur, genauso wie du. Wobei ich mich nur in den seltensten Fällen selbst spoilere. Ich hasse Spoiler einfach über alles, aber wenn ich ein Buch nicht mag, dann ist es mir aber egal.
Ich muss auch gestehen, dass ich irgendwie das Gefühl liebe, dass man hat, wenn man ein Buch beendet hat, welches man einfach nicht ausstehen konnte. Diese Erleichterung es beendet zu haben und es dabei bis zum Ende geschafft zu haben fühlt sich einfach nur toll an.
Liebe Grüße
Isabell
Oh ja, da hast du Recht. Wenn man dann die letzte Seite umblättern und das Buch ins Regal stellen kann – das ist schon ein tolles Gefühl.
Nur muss ich mich viel öfter fragen, ob dieses Gefühl sich auch einstellt, wenn ich mich davor ewig durch das Buch gequält habe :/
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