Donnerstag, 7. März 2019

Alte weiße Männer von Sophie Passmann.


Originalausgabe - Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch - März 2019

Sophie Passmann ist Feministin und sie fragt sich, ob der alte weiße Mann wirklich an allem schuld ist. Um das herauszufinden, trifft sie bekannte deutsche Männer, um mit ihnen über Sexismus, Feminismus, Chancengleichheit und die Frauenquote zu sprechen. Sie beobachtet mit Robert Habeck an der Spree den Kormoran, picknickt mit Claus von Wagner im Englischen Garten, teilt sehr unfreiwillig ihr Essen mit Rainer Langhans, sie trifft Peter Tauber in der Eisdiele, Kevin Kühnert im Studentencafé, lässt sich von Kai Diekmann auf Frühlingsrollen einladen und pocht bei all den Treffen darauf, Lösungen zu finden auf die Frage: Wie können wir den Geschlechterkampf beenden?

Auf der Frankfurter Buchmesse 2018 lief ich gerade von einem Termin zum nächsten, als mein Fangirl-Radar plötzlich Alarm schlug. Spotted: Sophie Passmann. 5 Sekunden überlegte ich, was ich jetzt machen soll. Und ich entschied mich schlussendlich für die ungewöhnlichste Variante: Ich sprach Sophie Passmann an. Crazy. Und nur ein bisschen creepy (wenn ich mich richtig erinnere sagte ich "Ich kenn dich von Instagram!" oder irgendetwas anderes Bescheuertes). Dafür unterhielten wir uns im Anschluss kurz über ihr bald erscheinendes Buch und ihre Buchempfehlungen bei Instagram (zu dem Zeitpunkt hatte ich wegen ihr "Hochdeutschland" gelesen und fand es ganz furchtbar ...). Und weil ich ein bescheidener Mensch bin und nicht weiß, wie man seriös danach fragt, gibt es von dieser kurzen Begegnung keine Fotos. Dafür sehr viel Liebe in meinem Herzen.

Denn, ja. Ich schwärme für Sophie Passmann. Egal, ob sie bei Instagram mit Alltagsgegenständen politische Zusammenhänge erklärt, im Neo Magazin Royale einen Bericht über Sexismus bei der Berlinale zeigt oder im Zeit-Podcast "Alles gesagt?" vier Stunden lang über Wein redet – count me in!

Nun also ein Buch von Sophie Passmann. Über den alten weißen Mann. Oder mit alten weißen Männern, die mit Sophie Passmann darüber gesprochen haben, was das überhaupt sein soll: ein alter weißer Mann. 

"Nicht jeder Mann, der alt und auch weiß ist, gehört automatisch zum Feindbild 'alter weißer Mann'. Das Gefühl der Überlegenheit gepaart mit der scheinbar völligen Blindheit für die eigenen Privilegien macht für mich eher dieses Feindbild aus." (Seite 10)

Dazu hat sich Sophie Passmann mit sechzehn ganz unterschiedlichen Männern getroffen, die verschiedene Machtpositionen besetzen, um zu klären, was sie eigentlich unter einem "alten weißen Mann" verstehen, welche Haltung sie zu Sexismus und Feminismus haben und was man denn jetzt mal tun sollte für die Gleichberechtigung der Geschlechter.

Herausgekommen sind sechzehn ganz unterschiedliche Porträts. Dabei gelingt es Sophie Passmann sogar Männer, die man selbst für unsympathische Gesprächspartner hält (siehe Kai Diekmann, Micky Beisenherz etc.), interessant darzustellen. Man muss ihnen deswegen aber noch lange nicht zustimmen.

Besonders schön sind die Texte dann, wenn Sophie Passmann nicht nur die Argumente wiedergibt, sondern mit den kleinen Beobachtungen spielt, die zwischen den Sätzen des Gesprächs liegen. Wenn Robert Habeck über einen Zaun springt, um den perfekten Ort für das Gespräch zu finden und anschließend verträumt über Vögel spricht (und dann so Sätze sagt wie "Ich wollte nicht Teil der patriarchalen Machtdominanz sein.", was ich für einen großartigen T-Shirt-Spruch halte). Wenn Claus von Wagner im Englischen Garten über die berittene Polizei in München spricht. Und wenn Sophie Passmann versucht, mit ihrem Vater beim Steak-Essen über Feminismus zu sprechen und dabei noch ganz andere Hürden auftauchen als nur, wer jetzt den Wein aussuchen darf. 

Nein, nach der Lektüre von "Alte weiße Männer" ist nicht abschließend geklärt, was ein alter weißer Mann überhaupt ist und was wir gegen ihn unternehmen können. Dafür dürfen wir einige Stunden mit der bezaubernden Sophie Passmann verbringen und ihren sehr klugen Gedanken folgen.

Denn, auch wenn es vielleicht anders erscheinen mag: Für mich stehen in "Alte weiße Männer" nicht die Männer im Vordergrund. Sondern Sophie Passmann, die sich als Feministin positioniert, den Männern zuhört, aber auch Contra gibt und dabei nie ihren ganz eigenen Witz und Charme verliert. 

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