Originalausgabe - Erschienen im Penguin Verlag - 2021 - Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar im Rahmen des Deutschen Buchpreises!
B. ist eine kleine Stadt in den Bergen, an der Grenze zu Transsilvanien. Eine junge, in Paris ausgebildete Künstlerin, verbringt hier ihre Sommerferien in der Villa ihrer Großtante. Sie liebt die Natur, die bukolische Landschaft und das einfache Leben der Einheimischen. Was sie lange Zeit nicht wahrhaben will, sind die sozialen Abgründe, die Perspektivlosigkeit und Verzweiflung ihrer Freunde. Das Unheil aber kommt mit dem Fund einer Leiche – übel zugerichtet wie vom Fürsten der Finsternis.
Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021 ist »Die nicht sterben« von Dana Grigorcea mein Patenbuch beim #buchpreisbloggen. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich vor der Bekanntgabe der Longlist den Titel so gar nicht auf dem Schirm hatte und nicht so recht wusste, was mich da bei der Lektüre erwartet. Ein Glücksfall, wie ich nun feststellen darf, denn wer weiß, ob ich ohne das Buchpreisbloggen überhaupt zu »Die nicht sterben« gegriffen hätte.
Dana Grigorcea erzählt in »Die nicht sterben« eine erfrischend moderne Variante des Dracula-Mythos mit der richtigen Portion Historie, Fantasie und Gegenwartskritik. Inklusive eines kleinen Seitenhiebes auf »Twilight«, was mich als zugegebenermaßen früheres Fangirl doch arg erheitert hat.
Doch beginnen wir am Anfang. Die namenlose Künstlerin aus Bukarest verbringt nach vielen Jahren ihren Urlaub wieder einmal in B. in der Villa ihrer geliebten Großtante. In ihrer Kindheit hat sie hier häufig den Sommer verbracht, nun erscheint ihr der Ort trostloser und leerer als gewohnt. Das ändert sich, als in der Familiengruft eine Leiche entdeckt wird. Wurde der Mann etwa Opfer von Fürst Vlad? Es entspinnt sich ein Reigen aus Geschichtsstunde, Dracula-Lehrfilm und Polit-Thriller, in dem man als Leser*in die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit im Galopp überschreitet.
»Ach, Pfähler! Herrscher! Kämst du doch! Mit harter Hand zu richten.«
Die Geschichte rund um Dracula und seinen Blutdurst ist wohlbekannt, auch wenn die Zeiten des glitzernden Vampirnachwuchses zum Glück vorbei sein. Dana Grigorcea orientiert sich auch weniger an Bram Strokers viktorianischen Schauerroman, sondern setzt am Ursprung an, bei Vlad III. Drăculea, der im 15. Jahrhundert Fürst der Walachei war und durch seine blutrünstigen Hinrichtungen den Beinamen »der Pfähler« erhalten hat. Das Grab von Fürst Vlad wird zum Mittelpunkt der Ereignisse in B., als eben jenes in der Familiengruft der jungen Künstlerin vermutet wird. Die kunstvoll darauf drapierte frische Leiche eines ehemaligen Bewohners des Ortes sorgt dafür, dass sich bald ein Dracula-Fieber breitmacht, das Geld in die Kassen der Stadt bringen soll – hauptsächlich im Interesse des korrupten Bürgermeisters. Dracula kommt nun auch in die Stadt, nur nicht ganz so, wie erhofft.
Die junge Künstlerin erliegt der dunklen Faszination der Geschichte und wird selbst zum Vampir – oder auch nicht, das lässt der Roman erfreulich offen, sodass sich jede*r Leser*in selbst ein Urteil bilden kann, was wahr ist und was nur Träumerei.
Neben der faszinierenden Geschichte schafft es Dana Grigorcea immer wieder amüsante Stimmungsbilder zu erwecken, die ihren ganz eigenen Charme haben. Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass die Großtante die Villa als Ferienhaus mietet, die vor der Enteignung eigentlich ihrer Familie gehörte und sie jedes Jahr ihr eigenes Mobiliar in die Ferien mitnimmt, um den Zauber der Vergangenheit wieder auferstehen zu lassen.
Für mich ist »Die nicht sterben« eine durchweg erfrischende Lektüre, die den Staub aus Draculas Sarg aufwirbelt und neu zusammensetzt. Ob der Roman auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2021 landet, bleibt abzuwarten (am 21.09. wissen wir mehr).
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