Léa flieht vor ihrem Leben. Sie tauscht den deutschen Sommer gegen den südfranzösischen und fährt auf das alte Familienanwesen an der Côte d’Azur. Doch ihr Plan, dort zur Ruhe zu kommen, geht nicht auf: Am Abend ihrer Ankunft unterhält sie sich mit einer jungen Frau, die noch in derselben Nacht ums Leben kommt – und Léa ist die letzte, die sie gesehen hat. Plötzlich steht Émile, der Bruder der jungen Frau, vor Léas Tür. Ihn quälen viele Fragen, weil er erfahren hat, dass seine Schwester schwanger war. Nacht für Nacht erzählen sie sich von ihren längst nicht mehr heilen Familien, sie streiten mit Haut und Haar über Schuld, Angst und Schweigen. Während Léa versucht, zurück ins Leben zu finden, setzt Émile alles daran, zu ergründen, was zum Tod seiner Schwester geführt hat. Wie kann man Abschied von der Vergangenheit nehmen, ohne zu vergessen?
Bereits mit »Mein italienischer Vater« hat Anika Landsteiner die Reisesehnsucht in mir geweckt, obwohl ich außerhalb der Buchseiten eine ganz schlechte Reisende bin. Statt nach Italien zieht das Fernweh mich nun dank »Nachts erzähle ich dir alles« nach Südfrankreich an die Côte d’Azur.
In München betreibt Léa ein kleines französisches Café. Doch sie muss mal raus aus dem Alltag – findet jedenfalls ihre Mutter Brigitte. Und so fährt Léa allein zum alten Ferienhaus der Familie, der »Villa der Männer«, um dort einige Wochen den Kopf frei zu bekommen. Was nicht besonders gut gelingt, weil sie bereits kurz nach der Ankunft in ein Drama hineingezogen wird, das im Garten des Ferienhauses seinen Anfang nimmt.
»Das Grübeln half nichts. Sie legte noch einmal den Kopf in den Nacken. Alice hatte recht. Ein Himmel voller Sterne, die Mondsichel hing schwerelos zwischen ihnen. Alles leuchtete, und nach einer Weile verglühten auch ihre Gedanken.« (Seite 33)
Alice ist tot und ihr Bruder Émile hat Fragen an die Frau, bei der Alice ihren letzten Abend verbracht hat. Aber welche Antwort lässt sich für das Unbegreifliche überhaupt finden? Léa und Émile ringen um die Wahrheit und kommen sich dabei immer näher – doch das tragische Geheimnis um Alice’ Tod steht weiterhin zwischen ihnen.
Rätselhaft bleibt aber auch, was sich in der Vergangenheit in der »Villa der Männer« abgespielt hat, wie Léa schon bald feststellen muss. In Rückblicken erzählt Claire, die beste Freundin von Léas Mutter, wie sich die beiden jungen Frauen kennengelernt haben und was sie nach all den vergangenen Jahren verbindet.
In »Nachts erzähle ich dir alles« gelingt es Anika Landsteiner meisterhaft, die Protagonist*innen so authentisch zu zeichnen, dass man am liebsten selbst mit ihnen am Pool liegen und selbstgebackenes Pain au chocolat essen möchte. Und wie bereits in »Mein italienischer Vater« ist die heimliche Hauptperson im Roman der Ort, an dem die Geschichte spielt. Anika Landsteiner lässt die Côte d’Azur zwischen den Buchseiten lebendig werden.
Ohne Frage ist »Nachts erzähle ich dir alles« die perfekte Sommerlektüre, egal wo man den Sommer verbringt. Nach der Lektüre bleibt ein Stück Südfrankreich zurück.
2 Kommentare:
Liebe Marina
Das Buch habe ich nun schon einige Male gesehen und ich habe es mir auch schon auf die Wunschliste gepackt. Die Rezensionen machen alle sooo neugierig und auch deine Rezension klingt wundervoll.
Alles Liebe an dich und vielen Dank für den schönen, sommerlichen Einblick in diese Lektüre
Livia
Danke dir Livia, das freut mich! :)
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