Es wird Sommer. Und damit startet langsam die Urlaubssaison. Irgendwie. Jedenfalls haben mich einige meiner letzten Lektüren in Urlaubsstimmung versetzt. Auch wenn keiner dieser Urlaube besonders glücklich verlaufen ist. Was aber auch viel interessanter ist als »Sommer, Sonne, Kaktus«, Handtücher am Pool auslegen und Streit am All-inclusive-Büfett. Die vier Bücher, die ich hier zusammengesucht habe, beginnen nicht nur alle mit einem Urlaub, sie engen den Rahmen so weit ein, dass nur wenige Protagonist*innen darin Platz finden. Deswegen »Kammerspiele im Urlaub«. Und für den begrenzten Platz im Urlaubskoffer sind alle vier Bücher auch sehr geeignet. Wenn das mal nicht durchdacht ist!
»Ewig Sommer« von Franziska Gänsler.
Die Kammer: Ein kleiner Kurort, abgeschnitten von der Welt, weil in den umliegenden Wäldern Brände lodern. Iris, die Besitzerin eines Hotels, wartet darauf, dass etwas passiert. Und als dann etwas passiert und eine junge Frau mit ihrem Kind im Hotel unterkommt, wird das monotone Leben von Iris auf den Kopf gestellt. »Ewig Sommer« erzählt von Flucht, vermeintlicher Sicherheit, unterschiedlichen Perspektiven auf die Wahrheit und davon, dass die größte Gefahr oft unsichtbar in der Nähe lauert. (K)eine gute Lektüre für heiße Sommertage.
»Es war mir, als würde ich auf einem Feld stehen. Sehend, dass bald ein Sturm alles um mich herum erfassen würde. Aber noch waren es nur die Ähren, die der Wind bewegte, nur die Wolken, die sich zusammenzogen. Noch blieben wir.« (Seite 131)
»Nach den Fähren« von Thea Mengeler.
Die Kammer: Eine Insel im Meer, die einmal ein sehr beliebter Urlaubsort war, bis plötzlich eines Tages keine Fähren mehr anlegten und die Insel immer leerer und leerer wurde. Die wenigen verbliebenen Bewohner*innen sind in der Vergangenheit steckengeblieben und warten auf den Tag, an dem alles wieder so wird wie früher. Ich liebe die Trägheit und die Wiederholungen, die in diesem Roman stecken, dieses Urlaubsgefühl, wenn man vergessen hat, welcher Wochentag ist und man darüber tagträumt, was wäre, wenn man einfach für immer hier bleiben würde.
»Sie liest ganze Seiten, ohne einen Gedanken zu erinnern, einen Satz. Sie blättert zurück, versucht es noch einmal, schlägt das Buch schließlich doch immer zu.« (Seite 38)
»Salzruh« von Susan Kreller.
Die Kammer: Eine Pension in der Altmark, irgendwo in Sachsen-Anhalt. Neun Gäste, sowie die Wirtin und das Hausmädchen. Und niemand darf raus. Sagt jedenfalls die Wirtin. Es gäbe einen Schutzmittelvorfall. Was auch immer das bedeutet. Neun Gäste, die Wirtin und das Hausmädchen. Etwas Bedrohliches lauert draußen wie drinnen. Und es werden nach und nach weniger Gäste. Der subtile Horror, gepaart mit einem ganz eigenen trockenen Humor, macht diesen Roman zu einem ganz besonderen Leseerlebnis für die Urlaubszeit.
»Der Wald mit dem stillgelegten Erholungsheim erinnert ihn an früher, und was früher war, das muss man abschließend besichtigen, man muss es nachträglich zu etwas Gutem oder wenigstens Besserem erinnern.« (Seite 10)
»Die Wand« von Marlen Haushofer.
Die Kammer: Eine Jagdhütte in den Bergen. Eine Frau verbringt dort mit einem Ehepaar ein Wochenende. Als am Morgen die Frau alleine in der Hütte erwacht, macht sie sich auf die Suche und muss schnell feststellen, dass da plötzlich eine Wand steht. Eine gläserne Wand, die sie vom Rest der Welt abkapselt. Zu Beginn noch auf der Suche nach einem Ausweg, findet sich die Frau schnell mit ihrem Schicksal ab und versucht sich einen eigenen Alltag hinter der Wand zu schaffen, um zu überleben. Ein Klassiker, bei dem sich eine (Wieder-)Entdeckung lohnt!
»Wenn ich jetzt an die Frau denke, die ich einmal war, ehe die Wand in mein Leben trat, erkenne ich mich nicht in ihr.« (Seite 41)
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